Der Name „Rosenlaui“ könnte von einem lauschigen Feld mit Alpenrosen herkommen. Wikipedia weiß es aber besser: „Die Herkunft des Namens Rosenlaui wird aus dem Altdeutschen ross, für reissend und dem Haslideutschen laui, für Lawine hergeleitet und bedeutet reissende Lawine“. Wie auch immer. Im letzten Artikel hatte ich ja versprochen, dass es in die Berge geht. Mit dem Postauto.

~Früher war alles schöner: Das Postauto Saurer L4C „Alpenwagen III“.~

Das Rosenlaui liegt in den Bergen. Auf 1328 m ü. M., in der Mitte des Rosenlauitals, an der Passstraße über die Grosse Scheidegg. Rosenlaui gilt als die kleinste Ortschaft der Schweiz und besteht eigentlich nur aus einem historischen Hotel aus der Gründerzeit des Tourismus in der Schweiz. Wenn Sie mehr wissen wollen, fragen Sie am Besten Johann Wolfgang von Goethe. Der war wie viele Bildungsreisende da. Aber keine Sorge. Ich erzähle weiter. Der Tag steckte voller Überraschungen.

~Der Glanz vergangener Zeiten: Das Hotel Rosenlaui.~

Etwas früh warteten wir am Meiringer Bahnhof auf das Postauto, das leider heute nicht mehr so nostalgisch rund ist wie das Postauto Saurer L4C „Alpenwagen III“. Bleche werden heute nicht mehr nach Schönheit, sondern nach Wirtschaftlichkeit gebogen. Wir warteten aber auch auf Hans-Peter. Und das sollte eine Überraschung werden. Sie erinnern sich vielleicht. Hans-Peter Bysäth war unser bevorzugter Spielkamerad in Meiringen während der Kindheit. Ich hatte im Internet schon mal nach ihm geforscht und ihn auch gefunden. Er ist mittlerweile ganz schön groß geworden, ist in der Weltgeschichte herumgereist, und nun Architekt in Bern. Ich hatte schon einige Male mit ihm telefoniert und erfahren, dass er als Architekt in der großen Riege von Architekten beim Bau des Pariser Centre Pompidou mitarbeitete, das von Renzo Piano, Richard Rogers und Gianfranco Franchini. Er ist der Liebe wegen nach Helsinki gezogen, dann der Nicht-Liebe wegen auch wieder weg. Er war in Amerika, in Italien und als Architekt auch im Berner Oberland. Ich wusste also ganz viel über ihn, aber nicht wie er aussieht.

~Vielleicht noch etwas früh: Ein zünftiger Znüni.~

Hans-Peter wollte mit uns die Tour ins Rosenlaui mittmachen und dann in Meiringen mit uns zu Abend essen. Wir fanden ihn schnell und wie am Telefon äußerst interessant. Im Postauto quatschen wir so viel, dass ich mich zwingen musste, auch mal nach draußen zu sehen. Im Herbst sehen die Almwiesen noch putziger aus als sonst. Sie können nicht mit großen Maschinen bewirtschaftet werden, denn überall liegen Felsbrocken. Aber um die herum sind die Wiesenstücke zur Herbstzeit wie mit der Nagelschere getrimmt, sauberer als der Golfplatz von Donald Trump. Die Schweiz ist halt ein ordentliches Land.

~Jugendstil in Arvenholz-Gemütlichkeit: Das Hotel Rosenlaui von innen.~

Irgendwann kamen wir im Rosenlaui an. Der kleine Ort lag schon immer an dem spätmittelalterlichen Saum- und Passweg über die Grosse Scheidegg hinunter nach Grindelwald. Er war und ist für die Milch- und Viehwirtschaft wichtig. Zu unserer Kindheit war die Straße noch nicht asphaltiert. Heute ist sie es. Ende des 18. Jahrhunderts wurden an Saumwegen erste Gasthäuser eröffnet, die durch Reiseberichte zu Weltruf kamen. 1788 wurde das Rosenlaui dank entdeckter Schwefelquellen sogar ein Kurbad. Es wurde zum Belle-Èpoque-Kurhaus und Touristenherberge. Nach einem Brand 1862 wurde der jetzige Zustand hergestellt. Jugendstil in Schweizer Arvenholz-Gemütlichkeit.

~Die Gletscherschlucht Rosenlaui: Mit Geräusch natürlich dramatischer.~

Etwas oberhalb des Hotels liegt die Gletscherschlucht Rosenlaui. Sie ist seit 1903 gut erschlossen und hat einen Weg von 573 Metern Länge und eine Höhendifferenz von 155 Metern. Bei der Höhendifferenz sollte man es geruhsam angehen. Nicht so Hans-Peter, der eine beneidenswerte Form hat.

~Auch bei durchwachsenem Wetter: Die Berge sind schön.~

Nach dem Mittagessen fuhren wir weiter bis zur Schwarzwaldalp. Dort findet sich ein Knotenpunkt mit einer andern Postautolinie über die besagte Grosse Scheidegg nach Grindelwald. Es gibt ein Hotel mit Restaurant, einen kleinen Stand mit Produkten aus der Almwirtschaft und ein historisches Sägewerk mit Wasserrad-Antrieb. Das ist das Sympathische an der Schweiz: Kulturdenkmäler werden restauriert und weiterbetrieben. Der Mann, den wir antrafen, wurde für diesen Job eigens angelernt und wusste so Einiges über die Entwicklung der Anfänge der Entwicklung in den Alpen. Lebendiges Museum.

~Romantik pur: Die Mühle mit dem alten Wasserrad.~

Was mich besonders beeindruckt hat war die Ruhe trotz einiger Touristen. Das emsige Geräusch der Kuhglocken störte nicht, sondern unterstützte die friedliche Atmosphäre. Das Wasserrad der Mühle ratterte und ich hörte die Ausführungen des Sägemannes wie in Tranche. So etwas ist Entschleunigung pur.

~Das Beste zur Entschleunigung: Die Schwarzwaldalp.~

Wir fuhren mit dem Postauto zurück und erinnerten uns, dass wir während der Kindheit einmal den letzten Autobus verpasst hatten. In sternklarer Nacht liefen wir talwärts und hatten, da es Neumond war, nur die beiden etwas helleren Streifen Kies, die die Straße andeuteten, als Orientierung. Wie gesagt, die Straße wurde spät asphaltiert.