Die Tricks der Fotografen

Februar 5, 2018

Beim Beschreiben der Tricks der Filmemacher, den Artikel können Sie hier anklicken, fielen mir natürlich auch die Tricks der Fotografen ein, die ähnlich arbeiten. Vorweg ein wichtiger Grund beim Tricksen einer Aufnahme: Gute Fotografen lieben es, ein Bild perfekt abzuliefern. Sprüche wie „Das machen wir in der Post“, der digitalen Nachbearbeitung, hören wir meist von schlechten oder faulen Fotografen. Anders als beim Film ist es hier nicht die Kosteneinsparung, sondern nur der Wille, perfekt alles beim Fotografieren zusammenzufügen.

~Eine stark belastete Brücke für die Kampagne „Hoffentlich ist es Beton“. Foto Thomas Herbrich.~

~Die Aufnahme in der Entstehung. Foto Thomas Herbrich.~

Das gilt in besonderem Maße für Thomas Herbrich, der ein guter Freund von mir ist, aber auch ein exzellenter Fotograf, ein wahrhaftiger Zauberer. Thomas arbeitet oft tage- oder wochenlang zur Vorbereitung der perfekten Belichtung. Für die Werbekampagne „Hoffentlich ist es Beton“ baute er eine Szene von 5 mal 3 Metern in einem Londoner Mietstudio. Eine Gruppe von Elefanten überquert eine Brücke zwischen zwei Felsen. Im Hintergrund ist ein Regenwald zu sehen. Die Felsen wurden vom Modellbauer Jerry Judah aus Styroporblöcken geschnitzt und mit Mörtel und Pigmentpulver belegt. Die Elefanten waren Dummies. Die Landschaft im Hintergrund wurde gebaut und mit tausenden Petersilienpflanzen bestückt. So meine Erinnerung. Mit etwas Nebelwabern sah alles täuschend echt aus. Eine solche Inszenierung hätte man in Natura nie gefunden. Bei einer Essenseinladung bei ihm wurde mir klar, wie Thomas auf seine Inszenierungsideen kommt. In seinem Bücherregal war mindestens ein laufender Meter Bücher über Zauberei zu finden. Klar, Thomas lenkt ab um den Betrachter zu täuschen. So genial ist es legitim. Das Bild ist ein Icon der Werbefotografie und hat zig Preise gewonnen.

~Die umgedeutete „Toteninsel“ nach Arnold Böcklin. Foto Thomas Herbrich.~

Wenn Thomas nicht für die Werbung arbeitet, das muss er, denn er ist Werbefotograf, inszeniert er seine eigenen Wunschmotive. So hat er das Bild „Die Toteninsel“ von Arnold Böcklin (1821 – 1901) nachfotografiert und umgedeutet. Es ist im Gegensatz zum todessehnsüchtigen Inhalt des Symbolisten Böcklin heiter und lustig. Statt der geheimnisvollen Figur bei Böcklin gibt es einen Mann mit bunten Luftballons und auf der Insel ein Kinderkarussell. Nun gab es dennoch eine Montage im Computer. Thomas hat vor den Monitor mit der fertigen oberen Bildhälfte, die Insel als Modell plus einkopiertes Boot und Kinderkarussell, die geriffelte Glasscheibe eines Kühlschranks gelegt. So erhielt er die perfekte Spiegelung einer Wasseroberfläche mit gekräuselten Wellen.

~Der Hydrojet für die Expo. Foto Thomas Herbrich.~

Nun wieder eine Auftragsarbeit. Für die EXPO Hannover sollte er das Motiv „Hydrojet“, also die Technik des Wasserstoff-Antriebs, auf humorvolle Weise gestalten. Er fotografierte das Flugzeug in Natura separat und kombinierte es mit dem Modell einer Lafette mit Wasserflasche. Die Reifen des gebauten Modells sind Zahnpastatubendeckel.

Nun folgen vier Bilder bei denen Sie in etwa erraten, wie sie gemacht sind. Ein Weizenfeld aus Zollstöcken, eine Flut in Chicago, ein Hamsterflug, eine schwebende Insel.

~Weizenfeld aus Zollstöcken gebaut. Foto Thomas Herbrich.~

~Flut in der Großstadt. Foto Thomas Herbrich.~

~Ein humoristischer Hamsterflug. Foto Thomas Herbrich.~

~Die schwebende Insel. Foto Thomas Herbrich.~

Zu Schluss ein Lieblingsbild von mir. Es heißt „Berlin im Jahre 2100“. Es ist komplett aus Transistorteilen und anderem Schrott gebaut und erinnert an „The Blad Runner“ von Ridley Scott. Es ist auch deswegen mein Lieblingsbild, weil Thomas mir das einmal in verkleinerter Form zum Geburtstag geschenkt hat. Um mich zu nerven fragte er noch „Wo ist das Brandenburger Tor?“

~Berlin im Jahre 2100. Foto Thomas Herbrich.~

Thomas Herbrich sagt über sich: „In meinen Bildern geht es spektakulär, unterhaltsam und immer ein bisschen geheimnisvoll zu. Sie sind mit viel Liebe gemacht, und ich glaube, das spürt man. Für mich ist ein gutes Bild wie der erste Satz in einer Geschichte, und der Betrachter möchte sie weiterspinnen. Es sind also immer erzählende Bilder.“ Thomas Herbrich erlitt einen Kulturschock, als er erstmals Stanley Kubricks Meisterwerk „2001 – Odyssee im Weltraum“ sah. Ab da war er kein einfacher Still-Live-Fotograf mehr. Momentan tingelt er mit einer wissenschaftlichen Unterhaltungsshow durch die Lande. Sie heißt „Die Mutter aller Innovationen“. Was das ist habe ich noch nicht erraten. Es ist wohl schwierig und einfach zugleich. Sehen Sie zu seinen Fotos auch http://www.herbrich.com/

 

 

 

Der Rheinfall

August 1, 2010

Haben Sie gewusst, dass der Rheinfall neben dem doppelt so hohen, aber bedeutend wasserärmeren Dettifoss im Nordosten Islands der größte Wasserfall Europas ist? Natürlich. Das weiß man auf der ganzen Welt, vor allem in den Vereinigten Staaten und in Japan. Das Naturwunder liegt bei Schaffhausen in der Schweiz, genauer gesagt zwischen dem rechtsuferigen Neuhausen am Rheinfall und dem linksuferigen Laufen-Uhwiesen. Neuhausen gehört zum Kanton Schaffhausen und Laufen zum Kanton Zürich. Das illustriert den Gedanken der „Confoederatio Helvetica“ ganz gut. Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung teilt man.

~Matthäus Merian der Ältere: „Eigentliche Bildnüß des grossen Waßerbruchs oder Falls des Rheins im Lauffen“, 1642~

Der Rheinfall ist wie manches Schöne auf unserem Erdball durch eine Laune der Erdgeschichte entstanden. Durch Temperaturschwankungen vor 500.000 Jahren setzten die ersten Gletschervorstöße ins Mittelland ein und gestalteten die heutige Landschaft. Bis zum Ende der so genannten „Riss-Eiszeit“ vor 200.000 Jahren floss der Rhein weiter westlich durch den Klettgau. Während der letzten Eiszeit, der „Würmeiszeit“, wurde der Rhein weit nach Süden abgedrängt und erreichte oberhalb des Falles sein heutiges Bett auf hartem Marmkalk, einer Art Jurakalk. Beim Übergang zur leicht abtragbaren risszeitlichen Schotterrinne entstand der Rheinfall in seiner heutigen Form. So vor rund 14.000 bis 17.000 Jahren. Hart und unnachgiebig oben, weich und auswaschbar unten. Alles klar? Es gibt aber noch den Rheinfallfelsen, ein Überrest aus der ursprünglich steil abfallenden Kalksteinflanke. Der steht mitten in der Gischt und kann besucht werden.

Um sich ein Bild von den tosenden Wassermassen zu machen, sei erwähnt, dass pro Sekunde 373 Kubikmeter Wasser über den Felsen stürzen. Eine Sekunde ist ein Wimpernschlag. 1965 waren es sogar kurzzeitig 1.250 Kubikmeter. Das Schauspiel findet zwischen 23 Meter Höhe und 150 Meter Breite statt. Fische können den Rheinfall nicht überwinden, es sei denn, es sind Aale. Es gibt reichlich Aale im Bodensee und oberen Rhein, wenn sie nicht wie im Hitzesommer 2003 durch den geringen Sauerstoffgehalt des Wassers bedroht werden. Normalerweise schlängeln sie sich seitwärts über den Felsen hoch.

Apropos Bodensee: Schon 1662 boten niederländische Handelsleute an, den oberen Rhein und den Bodensee schiffbar zu machen. Sie wollten den Rheinfallfelsen sprengen und Konstanz zum südlichen Amsterdam machen. 1817 meldete sich der „Königlich-Bairische Bergrath“ Jllig aus Kupferberg mit folgender Annonce: „Unterzeichneter erbietet sich, den Rheinfall durch einen unterirdischen Kanal binnen zwey Jahren mit einem Kostenaufwand von ungefähr 3 bis 4000 Gulden rheinisch gänzlich zu vernichten und denselben für Rhein-Schiffe aufwärts und abwärts fahrbar zu machen.“ Er meinte natürlich 3000 bis 4000 Gulden. 1961 wurde es gefährlich. Es gab ein ernsthaftes Projekt, den Rheinfall mittels 10 Schleusenbecken oder einer Umschiffung mit Kanälen und Tunnels zu überwinden. Ich kann mich erinnern, dass mein Naturkundelehrer mir im hohen Alter davon berichtete. „Lieber Hans Baumgartner, du wirst mich hören, da das ökologische Gleichgewicht des Bodensees dir immer ein Anliegen war. Daraus wird auf immer und ewig nichts“. Obwohl, der „Hirschen“ in Steckborn, die ehemalige St. Pauli Bar, wäre mit einigen ungenutzten Liegenschaften vielleicht als Rotlichtviertel für müde Seeleute geeignet. Aber nur vielleicht.

Der Rheinfall ist aber so, wie er ist, spektakulär genug. Auf gut ausgebauten Wegen erreicht man auf beiden Rheinseiten vorzügliche Aussichtsplattformen. Vom Schlösschen Wörth am Neuhausener Rheinfallbecken aus kann man mit Ausflugsbooten dicht an den Rheinfall heranfahren und sich mutig der Gischt entgegenstellen. Ganz Mutige können sich sogar auf besagtem Rheinfallfelsen absetzen lassen, bis das Kind schreit. Meine Favoritenstrecke ist die Laufener Seite. Da führen unterhalb des Schlosses Laufen Treppchen dicht ans Wasser und zu einem kleinen Pavillon. Der hat farbige Glasscheiben zum Wasser hin. Stellen Sie sich den Rheinfall blutrot vor, da ist die berühmte Szene aus Stanley Kubricks Film „Shining“ mit dem herausstürzenden Blut aus dem Fahrstuhl nichts dagegen. Oder stellen Sie sich den Rheinfall grün vor, oder gelb, oder blau zur Beruhigung.

Wie wenn das nicht reichen würde, versuchen Touristikexperten den Rheinfall immer wieder attraktiver zu machen. Von den ersten Kinderzeiten des Eventmarketings geprägt, stürzten am 19. August 2006 10.000 gelbe Gummienten über den Rheinfall. Mit Massenstart und Disco. Na servus. Besser gefällt da schon die Idee, einen wagemutigen Balanceakt über dem Rheinfall zu wagen. Auf dem Hochseil will Freddy Nock, der aus der Dynastie Zirkus Nock, ans andere Ufer. Aber ganz so neu ist die Idee dann doch nicht. Eine Karikatur aus dem „Kladderadatsch“ von 1870 zeigt einen Mann mit modischem Zwirbelbart, der auf seinem „Velociped“, dem wohl gerade erfundenen Fahrrad, auf einem Seil den Rheinfall überquert.

In eigener Sache:

Dieses Geschreibsel habe ich meinem früheren Leben schon mal veröffentlicht. Ich habe den Text hier in den „Schuhkarton der Erinnerung“ gesteckt. Den werde ich öfters nutzen, wenn es thematisch passt oder wenn mir danach ist.