Italien 2) Der schönste Spaziergang Europas

April 17, 2020

Dies ist mein zweiter Artikel, der über die schlimme Corona-Zeit in Italien hinwegtrösten soll.

Den schönsten Spaziergang Europas machen Sie nicht im Harz, im Hohen Venn oder gar im Périgord Noir. Nein, es ist absolut das Gebiet um den Monte di Portofino, das dazu einlädt. Der Superlativ ist übrigens keine Erfindung von mir, sondern die Bezeichnung stammt von einem verbildeten Misanthropen, dem man nie was recht machen kann. Am wenigsten mit der Natur. Also, wenn der sich schon zu dieser Lobhudelei durchringt, muss wohl was dran sein.

~Der schönste Spaziergang Europas: Nicht immer geht es so leicht ebenaus wie hier.~

Das Gebiet um den Monte di Portofino ist die Halbinsel, an deren Spitze in etwa der Nobel- und Hafenort Portofino liegt. Die Landschaft mit mediterranem Buschwald und Ölbaumhainen, deren Küsten bisweilen steil abfallen, ist seit vielen Jahren Naturschutzgebiet. Das wäre an sich nicht besonders aufregend, wenn nicht irgendein Beamter im fernen Rom den unkontrollierten Abschuss von Wildschweinen verboten hätte. Es gibt da nämlich niedliche Wildschweine, und das Verbot hat zur Folge, dass nun der Hobbyjäger Frau und Kind nicht mehr mit würzigsten Stücken vom Grill ernähren kann und die Viecher nachts in die Gemüsegärten einfallen. Es gibt zu viele Schweine und der Wald scheint sie offensichtlich nicht mehr ausreichend zu ernähren.

~Mediterran: Ein kurzer Ausblick auf das, was Sie erwartet.~

Wie auch immer man zu Gesetzen steht, dieses Vorgebirge bei Portofino ist von einer unglaublichen Schönheit und Sie sind nicht zu verstehen, wenn Sie es links liegen lassen. Ich würde vorschlagen, Sie fahren von Camogli mit den Buß nach Ruta, möglichst in aller Frühe, wenn der Tag jung und die Kräfte unverbraucht sind. Ruta ist übrigens der Ort, wo Nietzsche einen Esel geküsst haben soll, ganz zu Schluss seines aufregenden Lebens. Danach dürfen Sie aber nicht fragen, Sie würden Unverständnis von den Einheimischen ernten. Fragen Sie lieber nach der Kirche, nicht nach der romanischen mit den Fledermäusen, sondern nach der ordinären Dorfkirche. Falls man Ihnen keine Auskunft gibt, weil alle mit den Vorbereitungen zum Kirchfest zugange sind, blicken Sie einfach vor dem Tunnel gen Himmel, die Böschung hoch. Da ist die Kirche und auch der Einstieg zum Trip. Rechts von der Strasse Genua-Rapallo.

~Schon mal vorweggenommen: Piettre Strette, auf der Hälfte des Weges.~

Nun sind Sie mir dankbar, dass ich geraten habe, früh aufzustehen. Haben Sie auch bequeme Schuhe an, oder die High Heels vom Vorabend? Letzteres wäre falsch, denn es geht in die Wildnis, auch wenn diese ihnen wie ein Paradies vorkommen wird. Über einen Saumweg geht es erst hartnäckig aufwärts. Machen Sie es wie Reinhold Messner und treten Sie immer auf die tiefsten Stellen im Geläuf. Das erspart Ihnen das Abrollen auf lockerem Gestein und einen schmerzenden Knöchel. Im Wald ist es kühl und Sie finden Ihre Ruhe. Es ist himmlisch, etwas für den Körper zu tun. Der pittoreske Weg führt Richtung Portofino Vetta, einem Luxushotel und irgendeinem Richtmast. Schade, den köstlichen Cappuccino auf der Terrasse mit Aussicht auf den Golfo Paradiso gibt es erst ab Elf.

~Der Märchenwald: Welcher Riese hat hier mit Felsbrocken gespielt?~

Weiter über den Saumweg noch immer aufwärts Richtung Portofino. Irgendwann sind Sie bei den Piettre Strette, einer verwunschenen Ansammlung von Felsbrocken, die die Erdgeschichte zurückgelassen hat. Was immer Sie da machen wollen, Sie haben beinahe die Hälfte der Tour Natur hinter sich. Schade? Nein, gar nicht, denn es geht abwärts und nun öffnet sich der Blick beidseitig durch die Vegetation aufs Meer. Ich neige nicht zu Übertreibungen, aber es ist unglaublich schön. Sie werden mir die Empfehlung danken, spätestens jetzt. Zwischendurch hätte es sogar Wegesalternativen gegeben, rechts runter nach San Fruttuoso etwa, noch pittoresker und steiler. Aber der Weg ist das Ziel, jeder. Ungefähr nach Dreivierteln der Wanderung erreichen Sie den verschlafenen Weiler Olmi und die ersten Azzurri mit ihren Enduros kommen Ihnen entgegen. Manchmal auch ein lesender, verträumter Philosophiestudent aus Perugia oder ein Crewmitglied einer Nobelyacht, der zwei Kampfhunde ausführt.

~Langsam geht es abwärts: Je nach Situation links oder rechts der Blick aufs Meer.~

Apropos Philosophie: in Olmi gab es eine hervorragend Trattoria mit Garten, zwischen mannshohen Hecken aus Hortensien und einem Dach aus Weinlaub. Dort saß man und ließ sich von den Töchtern des Hauses verwöhnen, mit Köstlichkeiten, die immer seltener werden. Nicht nur einmal ist es mir passiert, dass ich von Amor verführt und von Bacchus berauscht in Träumereien glitt und das harte Wort Heidegger oder ähnlich Anspruchsvolles mich zur Besinnung rief. Olmi war anscheinend oft der Hort der Philosophen auf Urlaub. Schlemmen und Denken, nicht das Schlechteste. Noch ganz kurz zu den Töchtern des Hauses: ich habe mich nach dem Verbleib der Trattoria erkundigt und hörte, dass die Hübschen verheiratet sind. Natürlich mit Postbeamten, die hatten das ganze Jahr über Zeit, zu akquirieren. Es lag ja auf dem ihrem Weg. Aber deswegen gleich die Trattoria des Echten und Wahren schließen?

~Die ersten Häuser: Bald sind wir in Portofino.~

Nun wollen Sie bestimmt, dass wir zum Schluss kommen. Kommen wir auch, nach zirka einer halben Stunde sind Sie in Portofino, dem Brennpunkt der High Society. Durch schmucke Gässlein finden Sie bestimmt die Piazza. Jetzt gibt es einen kleinen Lunch am Hafen.

16 Antworten to “Italien 2) Der schönste Spaziergang Europas”


  1. Eine traumhafte, romantische Gegend ist das, die du hier beschreibst! Ja, es gibt so viel unglaublich Schönes auf der Welt, so dass man gar nicht alles anschauen, erwandern und besuchen kann, was man möchte.
    Umso schöner ist es, wenn es Blogs wie deinen gibt, auf denen man immer wieder Interessantes lesen und dazu stimmungsvolle Fotos betrachten kann, auch wenn man momentan keine Möglichkeit hat, selbst dort zu sein.
    Vielen Dank, Walter!
    Sonnige Grüße von Rosie

    • walterlenz Says:

      Aber gerne Rosie. Es freut mich, dass dir mein Beitrag gefällt. Vieles dazu habe ich ja in meinem Fotoarchiv, Gott sei Dank gut geordnet. Und es ist komisch, wenn ich schreibe erlebe ich das alles noch einmal.


      • Oh ja, so ergeht es mir auch. Frappierend finde ich das bei ganz alten Dias (!!), die mich auf glücklichen Reisen zeigen, als ich noch jung war….lach*. Das scheint dann so, als wäre es erst gestern gewesen, ich erlebe alles noch einmal und ich fühle mich wieder genau so jung, neugierig und glücklich. 🙂

  2. cablee Says:

    Der Beitrag schürt das Fernweh… Da bleiben nur die Erinnerungen und die Hoffnung auf bessere Zeiten.

    • walterlenz Says:

      Ja, Fernweh in einer ganz besonderen Zeit. Das Haus, in dem ich da unten immer wohnte, ein altes Rustico, beherbergt im Moment gerade einige junge Italiener aus Mailand. Sie können sich leider nicht wegbewegen. Aber es gibt einen fantastischen Garten mit Meerblick.

  3. walterlenz Says:

    Rosie, zu deinem obigen Kommentar: Natürlich ist es schön, alles nochmals zu erleben. Vor allem, wenn man älter wird. Bloß du machst auf mich den Eindruck einer ewig jungen, neugierigen, glücklichen.

  4. karu02 Says:

    Danke für diesen Wanderlust weckenden Bericht. Ich war schon in der Gegend, aber nicht dort. Schade. Wahrscheinlich komme ich auch nie mehr hin.

    • walterlenz Says:

      Ach Karu, Italien ist immer eine Reise wert. Auch Ligurien. Es ist einfach hinzugelangen. Jetzt nicht, aber hoffentlich bald wieder. Mit dem Flugzeug oder Zug nach Genua und dann mit dem Bimmelbähnchen die Küste entlang.

      • karu02 Says:

        Ja, mit dem Zug ließe sich das machen, aber noch traue ich mich nicht alleine auf eine solche Reise. Ich übe mit Kurzreisen, die dann vielleicht irgendwann auch länger werden, wenn man uns wieder lässt.

  5. meme Says:

    Lange nicht mehr hier gewesen – Du schreibst ja immer noch so wunderschöne Beiträge – wie ich das vermisse ….

    • walterlenz Says:

      meme. Lange nichts mehr von dir gehört. Leider auch von vielen damaligen Qypern nicht. Das finde ich sehr, sehr schade. Ich verstehe, dass es außer Blogs auch noch Anderes gibt. Oder finde ich dich irgendwo?

  6. walterlenz Says:

    Karu, ja, vielleicht später, wenn alles besser wird. Es gibt einen Zug von Deutschland (Rheinland?), der über Mailand direkt zu den Badeorten an der ligurischen Küste fährt.

  7. meme Says:

    Ich habe immer mal an einen Blog „von Höcksken op Stöcksken“ ( vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen) gedacht. Karu und Lakritze hätten mir geholfen, aber dann kam die neue Datenschutzverordnung …
    Ich vermisse das Schreiben eigentlich sehr, habe jetzt zu Corona-Zeiten angefangen, kurze Beschreibungen von unseren einsamen Wanderungen bei Facebook zu posten – kein Ersatz allerdings.
    Ich denke noch sehr oft an die wunderbare Qype-Zeit, Yelp habe ich ganz schnell abgehakt, ist wohl auch ziemlich „tot“ mittlerweile.
    Ich hoffe, es geht Dir gut – für mich hoffe ich, dass ich endlich mal wieder zum Bodensee fahren kann.
    Liebe Grüße – meme

    • walterlenz Says:

      Liebe meme, deine Idee vom Blog „von Höcksken op Stöcksken“ (hört sich etwas Düsseldorferisch an) fände ich gut und ich kann mir wunderbar vorstellen, wie man da vielleicht humoristisch Ideen entwickelt. Ich weiss nicht, ob da die Datenschutzverordnung hinderlich wäre. Vilmos hat ja auch seinen Blog, der nirgendwo eingebettet ist. Hier bei WordPress kann man eigentlich so agieren wie früher bei Qype. Aber die Gemeinschaft ist irgendwie kaputt gegangen. Viele ehemalige Qper bei WordPress haben aufgehört und allgemein scheinen mir die Zeiten etwas flüchtig geworden zu sein.

      Ich bin mittlerweile beinahe wieder am Bodensee. In Schaffhausen.

  8. Erika Tschirren Says:

    Wunderbarer Beitrag, danke, hoffentlich können wir das nochmals erleben.


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