Insel Mainau – Rundgang

Januar 10, 2011

Die Insel Mainau, die ein Teil eines Stadtteils von Konstanz ist, gehörte zu meiner Jugend wie der Bodensee bei Schönwetter. Wir durften nämlich im Familienverband dahin, wenn mein Vater gute Laune hatte. Die brauchte es auch, denn die Blumeninsel der Lennart-Bernadotte-Stiftung schreckte schon damals mit horrenden Eintrittspreisen. Damals muss sich wohl auch meine Abneigung gegen Blumenuhren und anderen künstlich wachsenden Krimskrams gebildet haben. Mir waren wildwachsende Blumen auf der Wiese hinterm Haus lieber als gepflegte Rabatten und die Familienschatulle hätte ich lieber für Eintrittstickets in Tropfsteinhöhlen geschont. Als nun auch neulich die Freundin eines guten Freundes damit ankam, einen düsteren Samstagnachmittag im Spätherbst mit einer Tour zur Insel zu verbringen, hatte ich schlechte Laune wie mein Vater bei schlechtem Wetter. Aber sie wollte ein Kindheitserlebnis wiederholen und lachte bei dem Vorschlag wie ein ganzes Beet Sonnenblumen. „Nun gut“, dachte ich, „vielleicht könnte man dann ja anschließend im Schiff essen gehen.“

~Der Diana-Brunnen, gleich am Eingang zum Glück~

Um es gleich zu sagen: als ich da war, war ich begeistert. Es lag bestimmt an der Absenz von, pardon, ordinären Touristen und an der morbid-herbstlichen Stimmung. Es war grandios. Der Tag entschädigte mich für viele lustlose Höflichkeitsausflüge. Und daran konnte auch die Dahlienschau, die immer im Herbst stattfindet, nichts ändern. Auch nicht die aus Blumen gewachsenen Mickymausfiguren und der Devotismus der wahrscheinlich mit Überpantoffeln bewehrten Besucher des Barockschlosses. Es war schlichtweg schön und trotz der späten Jahreszeit ausgesprochen interessant.

Die Insel Mainau, die um 1242 Maienowe hieß, dann um 1357 Maienow, um 1394 Mainowe und um 1580 Mainaw, hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Mit der Besiedlung hat es wie überall am See mit den Ufersiedlern des Neolithikums angefangen. Womöglich kamen danach die Kelten, aber bestimmt in der Antike die Römer. Glaubt man dem Geschichtsschreiber Strabo, soll die Insel sogar als Flottenstützpunkt des Tiberius im Kampf gegen die Vindeliker, einer keltischen Stämmegruppe, gedient haben. Großartig, endlich ein Seekampf auf dem Bodensee. Die Alemannen führten die Insel Mainau dann ins Mittelalter. Mainau wurde Rittersitz. Später gehörte der Molassekalkfelsen, wie sich das gehört, dem reichen Kloster Reichenau. Dann irgendwann dem Deutschherrenorden. Undsoweiter. So, nun klappen wir das Geschichtsbuch zu, bevor wir uns zu sehr an Details laben. Eines ist vielleicht noch wichtig, denn es führt direkt in die heutige Zeit: Während des Dreißigjährigen Krieges, der ganz Europa durcheinander brachte, landeten schwedische Truppen mit dreizehn Schiffen am Ufer der befestigten Insel Mainau. Ich vermute mal, dass sie von Schweden auf dem Landweg gekommen waren und sich die Schiffe auf dem Bodensee nur ausgeliehen hatten. Ganz bestimmt. Das heutige schwedische Besitzrecht der Insel stammt allerdings aus späterer Zeit und kam durch Anheirat zustande. Ein schwedischer Kronprinz heiratete nämlich eine Erbnachfolgerin des badischen Großherzogs Friedrich I., dem die Insel weiland gehört hatte. Doch auf Friedrich kommen wir gleich.

~Die winterlichen Bäume, die zu der fantastischen Ausnahmestimmung verhelfen~

Der Grundstein zu der Pflanzenpracht, für die die Mainau so berühmt ist, wurde nicht durch den kürzlich (2004) verstorbenen schwedischen Grafen Lennart Bernadotte gelegt, sondern vom ungarisch-österreichischen Fürsten Nikolaus II. Esterházy de Galantha. Er kaufte die Insel 1827 für 65.000 Gulden und begann unter großen Kosten mit der Eindämmung des Eilands, der Anpflanzung wertvoller Bäume und Ansiedlung zahlreicher seltener Pflanzen. Sein Werk setzte 1853 der neue Besitzer, der badische Großherzog Friedrich I., mit Elan fort. Flugs gründete er die „Großherzoglich badische Hofgärtnerei“ und ließ Insel und Schlosspark durch seinen Chefgärtner Chr. Schlichter und später durch dessen Nachfolger Ludwig Eberling neu gestalten. Mediterrane und exotische Pflanzen fanden ihren Weg in die fruchtbaren Böden und in das milde Klima. Alleen, Gärten und ein neues Wegesystem wurden angelegt. Friedrichs Visionen wurden zu einer Pracht, die heute noch sichtbar ist. Mit dem schwedischen Bernadotte kamen dann die bourgeoisen Besucher, der Rubel, respektive die gute alte D-Mark rollte, und so konnte das Wunder von Mainau erhalten und sogar ausgebaut werden.

Den Rundgang fängt man am Besten vom Lande kommend an. Alternativ gibt es die Schiffsanlegestelle im Osten der Insel. Den großen Parkplatz auf dem Festland, den Souvenirshop und das Kassenhäuschen lässt man am Besten schnell hinter sich, um die gute Laune zu behalten. Aber dann, schon auf der Brücke zur Insel, wird es aufregend: Wasservögel en masse dümpeln fröhlich im eiskalten Wasser. Auch links das Schwedenkreuz verursacht einen ersten Rums. Das vom gotischen Manierismus geprägte Christusstandbild heißt deswegen Schwedenkreuz, weil die schwedischen Besatzer der Insel es dereinst einheimsen wollten. Beim Abtransport wurde es aber dann plötzlich so schwer, dass es nicht einmal zwölf Pferde von der Stelle brachten. – Eine Legende, die man einfach lieben muss. Auf der Insel ist es gut, einen Plan in der Hand zu haben. Es geht nämlich links- oder rechtsrum. Entscheiden Sie sich für den mittleren Weg. Den gibt es auch. So kommen Sie schnell zum Kinderland mit den oben genannten Mickymausfiguren, die eher von Erwachsenen bewundert werden. Kinder sind da wählerischer und mögen Originale. Aber der Kräutergarten ist schön. Selbst im Winter. Es gibt da absolut giftige Pflanzen. Nichts für die Großtante, die eventuell dabei ist. Wenn Sie von da aus linksrum gehen, winkt ziemlich schnell das Schmetterlingshaus. Das ist so sensationell, dass Sie alles dazu in einem eigenen Beitrag finden. Den Streichelzoo habe ich hier unterschlagen. Wir sind ja erwachsen. Werfen Sie noch einen wehmütigen Blick auf den Weinberg am Schwedenturm, bevor es weitergeht.

~Ein Zahn aus weißem Marmor, der erdseitig schon etwas Karies hat~

Nun geht es schnurstracks zum Schloss, aber nicht bevor man einen oder mehrere eindringliche Blicke auf die fröstelnde Natur geworfen hat. Auch auf die weiß gestrichenen gusseisernen Parkbänke mit floralen Ornamenten. Sie stehen überall herum und sind überall gleich schön. Das dreiflügelige Barockschloss ist natürlich eine Gaumenfreude, auch weil sich direkt daneben das Schlosscafé und das Palmenhaus mit exotischen Vögeln befinden. Mir war der Rummel zuviel und ich erinnerte mich beim Milchkaffee lieber an ein sonderbares Kunstwerk, das ich kurz zuvor irgendwo hingeworfen gefunden habe. Es war ein Zahn aus weißem Marmor, der erdseitig schon etwas Karies hatte. Bestimmt zwei Meter in der Länge und eine Mahnung an Süßigkeiten verfressene Kinder. Nach dem Schloss betritt man klugerweise eine Terrasse mit einem italienischen Rosengarten. Manieristisch angelegt finden sich darin die letzten blühenden Rosen in der herbstlichen Kälte und auch niedliche Skulpturen aus Stein, die bei meinem Besuch bis ins Bein gefroren waren. Natürlich habe ich hier die altehrwürdigen Bäume beim Arboretum unterschlagen, das sich in der Mitte der Insel befindet. Auch den ältesten Urweltmammutbaum Deutschlands. Meine Negation der Bäume ist begründet. Auch dazu gibt es eigens einen Artikel. Sogar mit der Viktoria-Linde des Großherzogs Friedrich, Gott hab´ ihn selig. Zurück geht es über den Dahlienhügel, der trotz meiner Abneigung um Besucher buhlender Events wunderschön ist. Auch der wird separat beschrieben. Nun vermissen Sie vielleicht eine dem Anlass entsprechende poetische Sprache. In diesem Fall ist die Kraft der herbstlichen Bilder wohl ausreichend. Allzuviel erschlägt. Und wir wollen ja noch in die Kneipen der Altstadt von Konstanz. Da wollen wir doch jetzt schön nüchtern bleiben.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

~Der Rundgang auf der Insel Mainau~

Insel Mainau – Arboretum

Januar 10, 2011

Es ist beinahe unmöglich, etwas über die Insel Mainau zu schreiben, ohne den prächtigen Baumbestand zu erwähnen. Am Besten packt man die wundervollen Eindrücke eigens in einen Artikel. Weitab von Souvenirshops, Biergarten, Barockschloss, Blumenuhr, Streichelzoo und Ponyreitbahn. Nichts gegen Kinder. Aber wer nicht weiß, was ein Baum ist, wird nie zur Märchenprinzessin oder zum Kreuzritter. Auf der Insel Mainau gibt es das fabelhafte Arboretum mit mindestens 500 Arten von zum Teil seltenen Laub- und Nadelhölzern. Das Arboretum befindet sich in der Mitte der Insel und dehnt sich nordwestlich vom Schloss auf der Hochfläche aus. Natürlich finden sich auch anderorts Bäume auf dem Eiland. Um genau zu sein gibt es sie satt. Das Arboretum aber ist das Zentrum der Sehnsüchte. Und um etwas darüber zu schreiben muss kein einziger Baum gefällt werden. Wir sind hier ja papierlos.

~Ein Riesenmammutbaum~

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Aber unter einem mächtigen Baum zu liegen und den Verästelungen gedanklich bis in den Himmel zu folgen ist schon ein großartiges Gefühl. Jetzt im Spätherbst ist es zu kalt für solche Spielchen. Da reicht das gedankliche sich Hinlegen. Legen wir uns aber etwas später hin und kommen erst zu den historischen Fakten. Nun wissen wir ja schon, dass der fabelhafte Fürst Nikolaus II. ab 1827 mit der Anpflanzung wertvoller Bäume auf dem Molassekalkfelsen begonnen hatte. Das Arboretum, die Baumsammlung, wurde aber vom Großherzog Friedrich I. ab 1853 angelegt. Respektive von seinem Hofgärtner Ludwig Eberling. Der in Büdingen geborene Wandergärtner war entsetzt, als er 1856 die Insel betrat. Ihn dünkte die Insel damals nicht mehr wert als ein Kartoffel- und Distelacker. Die einst mit Blumenbeeten und Kräutergarten bepflanzte Insel hatte unter häufigem Besitzerwechsel gelitten. Friedrich und Ludwig wollten das schnell ändern. In dem Buch „Mainau – Chronik eines Paradieses“ ist unter anderem zu lesen: „…Sehr schnell entwickelte sich ein selten vertrautes Verhältnis zwischen dem Fürsten und ihm (dem Ludwig), wohl in der Person und in der gemeinsamen Liebe zur Natur und Gartenkunst begründet. … Die Zusammenarbeit der beiden für die Pflanzenwelt begeisterten Männer schuf das, was der Großherzog ,mein Paradies‘ nannte. Mit sicherem Blick bestimmte er die anzuschaffenden Bäume und kaufte Orangenbäume in Italien, Palmen in Nizza und vieles andere mehr an anderen Plätzen, um mit handgeschriebener Anweisung alles auf die Mainau schicken zu lassen. Schweizer, italienische, französische, elsässische, holländische und deutsche Baumschulen lieferten ihr Bestes….„ Nicht nur das Arboretum, nein die ganze Insel Mainau wurde zum Lebenswerk zumindest von Ludwig Eberling. Der einstige Wandergärtner verstarb dann auch folgerichtig 1898 im Gärtnerturm der Mainau. Der liegt leicht östlich vom Arboretum. Also nicht nur in emotionaler Nähe.

So, und nun legen wir uns für den Riesenmammutbaum hin. Der ist wahrhaftig gigantisch. Ich habe mir sagen lassen, dass einzelne Spezies bis 90 m hoch werden und einen Stammdurchmesser bis 12 m an der Basis haben können. Ganz so wild ist es auf der Mainau nicht, aber es reicht um ungläubig staunen zu können. Die Riesenmammutbäume haben eine Borke zum Verlieben. Die faserig-schwammige Rinde ist sehr dick, weich und harzfrei. Hält man das Ohr an das dunkle Rotbraun, hört man Geschichten über den guten alten Friedrich. Etwa von Amouren mit seiner Louise von Preußen, die er 1856 heiratete. Also exakt mit Beginn des Wirkens des Hofgärtners Eberling. Man hört aber auch Geschichten vom Weltenbummler Friedrich oder von seiner Liebe zu den Künsten. Zu alle dem sagen die wie Fahrradspeichen abstehenden Äste nichts. Nur die schmalen, spitzen Schuppenblätter wiegen einträchtig und zustimmend etwas im Wind. Bis in die höchste Spitze. Der seltene Urweltmammutbaum ist etwas diskreter. Er ist auch kleiner als die Riesen, sich seiner Einzigartigkeit aber durchaus bewusst. Erste Exemplare von ihnen wurden nämlich erst 1941 in einer unzugänglichen Bergregion Chinas entdeckt und waren zuvor nur durch Fossilienfunde bekannt. Der Mainauer Baum wurde 1952 als 70 Zentimeter großes Bäumchen im Ufergarten ausgepflanzt. Also ausnahmsweise nicht im Arboretum, sondern an der Inselspitze südöstlich vom Schloss. Mittlerweile ist er ganz schön erwachsen. Die Äste erster Ordnung sind unregelmäßig gestaltet und meist weit ausladend. Äste höherer Ordnung sind herabhängend und gegenständig angeordnet. So wirkt er etwas urweltlich zerzaust.

~Die Victoria-Linde~

Dann erfreuen natürlich viele immergrüne Zedern das Auge. Auch Tulpenbäume, die trotz ihres niedlichen Namens zwischen 40 bis 60 m hoch werden können. Im Spätherbst haben sie keine Lust und werfen die Blätter ab. Durch das milde Klima bedingt etwas später als anderswo. In der warmen Jahreszeit sind die Bäume aber von einem fleischigen Hellgrün und weit ausladend. Das Holz und die Rinde der Tulpenbäume sollen für den Menschen giftig sein. Selbst die Blätter eignen sich nicht für einen Schönheitstrank. Ebenfalls nicht im Arboretum, aber hier thematisch dazugehörig, steht die Victoria-Linde unweit des Rosengartens an einem wunderschönen Platz. Großherzog Friedrich I. ließ sie anlässlich der Geburt seiner Tochter Victoria 1862 pflanzen. Sie ist zwar lange nicht so alt wie die Sommer-Linde in Wiesenbach bei Schwäbisch Hall, die mit ungefähr 800 Jahren die älteste Linde Süddeutschlands sein soll. Aber schön und stattlich ist sie trotzdem. Außerdem das verbürgte Zeugnis einer Liebe.

Die sollten Sie auch Ihren Kindern näher bringen. Die Liebe zur Botanik und zur Geschichte. Unweit des Kinderspielplatzes steht nämlich ein Instrument dazu, das auf den ersten Blick aussieht wie ein Couchtisch. Es ist aber eine gute Tranche Baumstamm auf Stützen. Von einem uralten, ehrwürdigen Riesen. In praktischer Höhe stecken blattförmige Fähnchen auf dem ebenen Plateau. Sie zeigen jeweils an den Jahresringen des Baumes an, was zur Zeit der Holzbildung so alles passiert ist. Im Jahre 1912 zum Beispiel der Untergang der Titanic. Uaaah! Schaurig schön. Eine Baum-Zeittafel. Natürlich können Sie auch gleich den flotten Walzer „Autumn“ trällern. Das Musikstück, das angeblich ganz zuletzt von der Bordkapelle auf der Titanic gespielt wurde. Trauen Sie sich ruhig. Dann haben Sie Botanik, Geschichte und Musik in einem Abwasch unterrichtet. Habe ich zu dem Baumreichtum der Mainau etwas vergessen? Bestimmt. Aber am Besten ist es, Sie schließen jetzt die Augen und hören, was die Baumwipfel der Mainau sich so alles zuraunen.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

~Die ganze Schönheit des Arboretum~