Insel Mainau – Arboretum
Januar 10, 2011
Es ist beinahe unmöglich, etwas über die Insel Mainau zu schreiben, ohne den prächtigen Baumbestand zu erwähnen. Am Besten packt man die wundervollen Eindrücke eigens in einen Artikel. Weitab von Souvenirshops, Biergarten, Barockschloss, Blumenuhr, Streichelzoo und Ponyreitbahn. Nichts gegen Kinder. Aber wer nicht weiß, was ein Baum ist, wird nie zur Märchenprinzessin oder zum Kreuzritter. Auf der Insel Mainau gibt es das fabelhafte Arboretum mit mindestens 500 Arten von zum Teil seltenen Laub- und Nadelhölzern. Das Arboretum befindet sich in der Mitte der Insel und dehnt sich nordwestlich vom Schloss auf der Hochfläche aus. Natürlich finden sich auch anderorts Bäume auf dem Eiland. Um genau zu sein gibt es sie satt. Das Arboretum aber ist das Zentrum der Sehnsüchte. Und um etwas darüber zu schreiben muss kein einziger Baum gefällt werden. Wir sind hier ja papierlos.
~Ein Riesenmammutbaum~
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Aber unter einem mächtigen Baum zu liegen und den Verästelungen gedanklich bis in den Himmel zu folgen ist schon ein großartiges Gefühl. Jetzt im Spätherbst ist es zu kalt für solche Spielchen. Da reicht das gedankliche sich Hinlegen. Legen wir uns aber etwas später hin und kommen erst zu den historischen Fakten. Nun wissen wir ja schon, dass der fabelhafte Fürst Nikolaus II. ab 1827 mit der Anpflanzung wertvoller Bäume auf dem Molassekalkfelsen begonnen hatte. Das Arboretum, die Baumsammlung, wurde aber vom Großherzog Friedrich I. ab 1853 angelegt. Respektive von seinem Hofgärtner Ludwig Eberling. Der in Büdingen geborene Wandergärtner war entsetzt, als er 1856 die Insel betrat. Ihn dünkte die Insel damals nicht mehr wert als ein Kartoffel- und Distelacker. Die einst mit Blumenbeeten und Kräutergarten bepflanzte Insel hatte unter häufigem Besitzerwechsel gelitten. Friedrich und Ludwig wollten das schnell ändern. In dem Buch „Mainau – Chronik eines Paradieses“ ist unter anderem zu lesen: „…Sehr schnell entwickelte sich ein selten vertrautes Verhältnis zwischen dem Fürsten und ihm (dem Ludwig), wohl in der Person und in der gemeinsamen Liebe zur Natur und Gartenkunst begründet. … Die Zusammenarbeit der beiden für die Pflanzenwelt begeisterten Männer schuf das, was der Großherzog ,mein Paradies‘ nannte. Mit sicherem Blick bestimmte er die anzuschaffenden Bäume und kaufte Orangenbäume in Italien, Palmen in Nizza und vieles andere mehr an anderen Plätzen, um mit handgeschriebener Anweisung alles auf die Mainau schicken zu lassen. Schweizer, italienische, französische, elsässische, holländische und deutsche Baumschulen lieferten ihr Bestes….„ Nicht nur das Arboretum, nein die ganze Insel Mainau wurde zum Lebenswerk zumindest von Ludwig Eberling. Der einstige Wandergärtner verstarb dann auch folgerichtig 1898 im Gärtnerturm der Mainau. Der liegt leicht östlich vom Arboretum. Also nicht nur in emotionaler Nähe.
So, und nun legen wir uns für den Riesenmammutbaum hin. Der ist wahrhaftig gigantisch. Ich habe mir sagen lassen, dass einzelne Spezies bis 90 m hoch werden und einen Stammdurchmesser bis 12 m an der Basis haben können. Ganz so wild ist es auf der Mainau nicht, aber es reicht um ungläubig staunen zu können. Die Riesenmammutbäume haben eine Borke zum Verlieben. Die faserig-schwammige Rinde ist sehr dick, weich und harzfrei. Hält man das Ohr an das dunkle Rotbraun, hört man Geschichten über den guten alten Friedrich. Etwa von Amouren mit seiner Louise von Preußen, die er 1856 heiratete. Also exakt mit Beginn des Wirkens des Hofgärtners Eberling. Man hört aber auch Geschichten vom Weltenbummler Friedrich oder von seiner Liebe zu den Künsten. Zu alle dem sagen die wie Fahrradspeichen abstehenden Äste nichts. Nur die schmalen, spitzen Schuppenblätter wiegen einträchtig und zustimmend etwas im Wind. Bis in die höchste Spitze. Der seltene Urweltmammutbaum ist etwas diskreter. Er ist auch kleiner als die Riesen, sich seiner Einzigartigkeit aber durchaus bewusst. Erste Exemplare von ihnen wurden nämlich erst 1941 in einer unzugänglichen Bergregion Chinas entdeckt und waren zuvor nur durch Fossilienfunde bekannt. Der Mainauer Baum wurde 1952 als 70 Zentimeter großes Bäumchen im Ufergarten ausgepflanzt. Also ausnahmsweise nicht im Arboretum, sondern an der Inselspitze südöstlich vom Schloss. Mittlerweile ist er ganz schön erwachsen. Die Äste erster Ordnung sind unregelmäßig gestaltet und meist weit ausladend. Äste höherer Ordnung sind herabhängend und gegenständig angeordnet. So wirkt er etwas urweltlich zerzaust.
~Die Victoria-Linde~
Dann erfreuen natürlich viele immergrüne Zedern das Auge. Auch Tulpenbäume, die trotz ihres niedlichen Namens zwischen 40 bis 60 m hoch werden können. Im Spätherbst haben sie keine Lust und werfen die Blätter ab. Durch das milde Klima bedingt etwas später als anderswo. In der warmen Jahreszeit sind die Bäume aber von einem fleischigen Hellgrün und weit ausladend. Das Holz und die Rinde der Tulpenbäume sollen für den Menschen giftig sein. Selbst die Blätter eignen sich nicht für einen Schönheitstrank. Ebenfalls nicht im Arboretum, aber hier thematisch dazugehörig, steht die Victoria-Linde unweit des Rosengartens an einem wunderschönen Platz. Großherzog Friedrich I. ließ sie anlässlich der Geburt seiner Tochter Victoria 1862 pflanzen. Sie ist zwar lange nicht so alt wie die Sommer-Linde in Wiesenbach bei Schwäbisch Hall, die mit ungefähr 800 Jahren die älteste Linde Süddeutschlands sein soll. Aber schön und stattlich ist sie trotzdem. Außerdem das verbürgte Zeugnis einer Liebe.
Die sollten Sie auch Ihren Kindern näher bringen. Die Liebe zur Botanik und zur Geschichte. Unweit des Kinderspielplatzes steht nämlich ein Instrument dazu, das auf den ersten Blick aussieht wie ein Couchtisch. Es ist aber eine gute Tranche Baumstamm auf Stützen. Von einem uralten, ehrwürdigen Riesen. In praktischer Höhe stecken blattförmige Fähnchen auf dem ebenen Plateau. Sie zeigen jeweils an den Jahresringen des Baumes an, was zur Zeit der Holzbildung so alles passiert ist. Im Jahre 1912 zum Beispiel der Untergang der Titanic. Uaaah! Schaurig schön. Eine Baum-Zeittafel. Natürlich können Sie auch gleich den flotten Walzer „Autumn“ trällern. Das Musikstück, das angeblich ganz zuletzt von der Bordkapelle auf der Titanic gespielt wurde. Trauen Sie sich ruhig. Dann haben Sie Botanik, Geschichte und Musik in einem Abwasch unterrichtet. Habe ich zu dem Baumreichtum der Mainau etwas vergessen? Bestimmt. Aber am Besten ist es, Sie schließen jetzt die Augen und hören, was die Baumwipfel der Mainau sich so alles zuraunen.
~Die ganze Schönheit des Arboretum~