Die Bodega Española ist ein spanisches Restaurant mit Tapas-Bar und angrenzender Weinhandlung auf der Münstergasse 15 in Zürich. Das Restaurant wurde bereits 1874 eröffnet. So weit, so gut. Lokale mit Tradition gibt es in Zürich zu Hauf. Aber das Besondere an der Bodega ist, dass sich seit langem nichts verändert hat, zumindest in der Tapas- und Weinbar im Erdgeschoss und in der „Sala Morisca“, dem maurische Saal, in der ersten Etage. Dies verfügte der ehemalige Besitzer in seinem Testament. Das war die Familie Gorgot aus Katalonien, die mit der „Casa Gorgot“ im Zürcher Niederdorf ihr Glück versuchten. Seit den 50er Jahren wird die Bodega von der Familie Winistörfer weitergeführt, und die haben sich an den testamentarischen Willen gehalten.

Haus_01

~Die Bodega Española. Früher kehrte Lenin hier ein.~

So kann der Blick unverändert über die abgewetzten Holztische und Stühle im Erdgeschoss schweifen. Auch über die Holzwände mit Patina, über die sorgsam gemusterten Glasfenster und die prächtige Eingangstür. Im ersten Geschoss ist auch der Saal immer noch so, wie er 1892 von Handwerkern aus Katalonien ausstaffiert wurde. Mit Intarsienböden aus Holz, etwas kostbareren Stühlen und filigranen Schnitzereien an den Wänden. Hier wird zu Essenszeiten getafelt. Die Tapas- und Weinbar ist von 10 bis 24 Uhr geöffnet und man braucht keine Reservation. Ich mag die Tapasbar meist für ein kleines Häppchen zwischendurch. Auch Wladimir Iljitsch Lenin mochte den Raum im Erdgeschoss. Und das ist nun wirklich eine besondere Nachricht, zumal es darüber kaum Literatur im Web gibt. Lenin las da seine Tageszeitungen, immer an einem besonderen Tisch. Ich glaube zu wissen, wo der ist und setze mich immer gerne an ihn. Ober ob es der richtige Tisch ist, ist unklar. Fragen Sie auch nicht einen der freundlichen spanischen Kellner. Der wird, egal auf welchen Tisch Sie zeigen, immer zustimmend nicken.

Tisch_01

~Die Bodega innen: Abgewetzte Wände, Tische und Stühle.~

Neben vielen andern Berühmtheiten verkehrte da auch Max Frisch. Die Bodega gehörte zu seinen Lieblingskneipen, erzählte Marianne Frisch, die Frau des Schriftstellers. „Herrlich kann man hier einen ganzen Abend verplaudern“, sagte er. Frisch war aber auch im Café Odeon oder im Restaurant Kronenhalle. Lenin traue ich das weniger zu. Er war damals nicht sehr betucht und mochte bürgerliche Etablissements wohl hassen.

Eingangstür innen_01

~Die Eingangstür. Nicht seitenverkehrt dargestellt, sondern von innen.~

Lenin kam zu Beginn des Ersten Weltkriegs in die Schweiz und erhielt zuerst in Genf und dann in Bern eine sogenannte „Toleranzbewilligung“, eine Genehmigung der Aufenthaltsgenehmigung ähnlich. Anfang 1916 bewarb er sich für eine solche in Zürich, mit der Begründung, die hiesige Zentralbibliothek für seine schriftstellerische Arbeit nutzen zu wollen. Er mietete sich für 24 Franken im Monat auf der Spiegelgasse 14 nicht unweit der Bodega ein, im Niederdorf. Er wohnte als Untermieter mit seiner Frau und Kampfgefährtin Nadeschda Konstantinowna Krupskaja bei Schuhmachermeister Titus Kammerer im zweiten Stock. Das einzige Zimmer war eng. Wenn mehr als drei Personen anwesend waren, mussten sich die Besucher aufs Bett setzen. Lenins Ehefrau fand die Unterkunft nicht gerade zweckdienlich. Sie sagte laut einem späteren Zeitungsartikel in der NZZ: „Zu Hause war es nicht sehr günstig zu arbeiten. Zwar war unsere Wohnung hell, aber die Fenster gingen auf den Hof hinaus, in dem es fürchterlich roch, weil sich dort eine Wurstfabrik befand.“ Diese Schilderung hört sich stark nach Sozialromantik an. Man muss aber einige Zeitfilter vom heutigen Zustand des schicken Niederdorfs wegnehmen, um zum Arbeiterviertel von 1916 zu gelangen.

Im Juni 1951 schrieb die NZZ: „Lenin habe öfters Mühe gehabt, den Mietzins von 24 Franken pünktlich zu bezahlen. Schuhmachermeister Kammerer sprach aber stets mit Achtung von seinem Untermieter, von dessen politischer Bedeutung er keine Ahnung gehabt haben soll. Das Ehepaar Kammerer habe es strikt abgelehnt, ehemalige Einrichtungsgegenstände Lenins zu veräussern. Selbst ein Angebot der Sowjetregierung, welche die ganze von Lenin benutzte Wohnungseinrichtung erwerben wollte, wies der Schuhmacher ab.“

Schinken_01

~Tapas. Ob es die zu Lenins Zeiten so schon gab?~

Es ist bei der räumlichen Wohnsituation Lenins nachvollziehbar, dass er häufig die Bodega Española aufsuchte. Sie befindet sich nur wenige Schritte von Lenins Exilwohnung entfernt. Das Haus wurde übrigens 1971 wegen Baufälligkeit abgerissen, neu aufgebaut, und die Fassade nach altem Muster wieder eingefügt. Der Wohnort Lenins wird bei Stadtführungen gerne angesteuert und ist durch ein kleines Schild markiert: „Hier wohnte vom 21. Februar 1916 bis 2. April 1917 Lenin, der Führer der russischen Revolution“. Schön, aber auch die Bodega ist in diesem Zusammenhang wichtig, wenn auch kaum erwähnt. http://bodega-espanola.ch

Bier_01

~Bier und Brot. Das gab es sicherlich. Und Zeitungen.~